Der Faktor „Lerner:in“
Konventionelle Lernmaterialien
Das heutige Schulsystem ist (glücklicherweise!) geprägt von einer fortschreitenden Individualisierung. Der damit einhergehende hohe Anspruch an didaktische Gestaltung wird insbesondere im sonderpädagogischen Förderspektrum deutlich:
Während das eine Kind aufgrund seines eingeschränkten Visus (= Sehschärfe) eine sehr große Schrift benötigt, ist das andere Kind aufgrund seines kleinen Sichtfelds auf eine eher kleine Schrift angewiesen.
Während die einen Kinder durch nicht-inhaltstragende Bilder motiviert sein mögen, können andere Kinder etwa mit einer Austismus-Spektrum-Störung davon gänzlich abgelenkt sein.
Dieses Beispiel aufgreifend, müsste das Lernmaterial in analoger Form also idealerweise in den folgenden 4 Varianten vorliegen:
Mit konventionellen Lernmaterialien würden üblicherweise die Dokumente dupliziert und für jedes Kind einzeln optimiert werden (hoffend, dass man nicht nachträglich auf die Idee kommt, etwas am Inhalt und damit einzeln in allen Varianten ändern zu müssen). Das Erstellen jeder Individualisierung ist mit erheblichem Aufwand verbunden und betrifft spätestens in inklusiven Settings auch die Regelschulen, wie dieses Beispiel einer blinden Schülerin in einer Inklusionsklasse zeigt.
Universelle Lernmaterialien
In einem Interview hörte ich einmal den Satz: „Je mehr Einstellmöglichkeiten es gibt, desto barrierefreier wird ein System.“ Tatsächlich schaffen es inzwischen sogar Videospiele wie Last of Us 2, so viele Einstellungsmöglichkeiten anzubieten, dass blinde Spieler:innen zur Nutzung in der Lage sind (wer die Reaktion auf die Spiel-Einstellungen des blinden Game-Testers Steve Saylor noch nicht kennt – dringende Empfehlung).
Wenn ein Unternehmen es schafft, ein Video(!)-Spiel für blinde Spieler:innen so barrierefrei zu machen, obwohl diese mit Sicherheit nur einen Bruchteil der Kund:innen ausmachen, müsste es doch möglich sein, dass Lerninhalte im 21. Jahrhundert so repräsentiert werden, wie Lernende sie benötigen. 🤐
In meinen Prototyp habe ich ein paar solcher Einstellmöglichkeiten exemplarisch eingebaut:
Ändern der Schriftart (z. B. optimiert für Legasthenie)
Zoom-Funktion (auf ALLE Inhalte angewandt)
automatische Kontrasterhöhung und Umwandeln in Schwarz-Weiß (sogar für das Video)
Ausblenden dekorativer Bilder (bei Druck wird die Video-Vorschau ausgeblendet, der QR-Code bleibt)
Das sind nur einige der möglichen Funktionen, aber das Potenzial wird hoffentlich ersichtlich: Lernende müssten nur einmalig ihre Präferenzen definieren und ab diesem Zeitpunkt würden alle Inhalte automatisch so repräsentiert werden, wie sie diese benötigen – ohne dass die Lehrpersonen irgendetwas dafür machen muss.
(Wer sich für weitere Empfehlungen zu Barrierefreiheit interessiert, dem lege ich die Website meines ❤️-Hackathon-Teams von #WirFürSchule ans Herz.)